Magisches Viereck: Bedeutung in der Wirtschaft, Ziele und Zielkonflikte

Das Magische Viereck - die Säulen der Wirtschaftspolitik

Münzen und Graphen auf einem Bild
Das sogenannte Magische Viereck ist in der Wirtschaft von besonderer Bedeutung. Abbildung: Number1411/Shutterstock.com

Der Wohlstand in Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten stetig zugenommen. Grundlage hierfür ist eine erfolgreiche Wirtschaft. Um die richtigen wirtschaftspolitischen Instrumente anwenden zu können, ist es zunächst erforderlich, die Zielsetzung zu definieren. Im Folgenden befassen wir uns mit den Fragen: Welche Ziele der Wirtschaftspolitik sind gesetzlich festgeschrieben? Was bedeuten diese Ziele? Warum ist in diesem Zusammenhang vom “magischen Viereck” die Rede?

Verankerung im Grundgesetz

Die Finanzverfassung des Grundgesetzes weist dem Bund und den Ländern den Auftrag zu, sich in der Wirtschaftspolitik am “gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht” zu orientieren. Anlässlich der ersten Wirtschaftskrise in der Bundesrepublik im Jahr 1967 wurde dieser Begriff konkretisiert: Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz (StWG) benennt das magische Viereck. Es besteht aus den Zielen:

  1. Stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum
  2. Stabilität des Preisniveaus
  3. Hoher Beschäftigungsstand
  4. Außenwirtschaftliches Gleichgewicht

Säulen der Wirtschaftspolitik

Diese vier Ziele stellen die Säulen dar, die die Volkswirtschaft tragen und den Wohlstand sichern sollen. Wenn eine dieser Stützen nicht stabil ist, gerät die Wirtschaft in eine Schieflage, die mit spezifischen Risiken und Nachteilen für die Unternehmen und Konsumenten verbunden ist. Das Zielsystem wird als das magische Viereck der Wirtschaftspolitik bezeichnet. Denn alle vier Ziele gleichzeitig zu erreichen, würde magische Fähigkeiten erfordern. Dies wird deutlich, wenn die Ziele im einzelnen beleuchtet und dann auf Ihre Verträglichkeit untereinander hin untersucht werden.

Das Magische Vierecke
Das Magische Viereck in seiner klassischen Aufteilung. Quelle: Wikipedia

Angemessenes, stetiges Wirtschaftswachstum

Ein gewisses Wachstum der Wirtschaft ist erforderlich, um den Produktivitätszuwachs der Volkswirtschaft auszugleichen. Aufgrund des technischen Fortschritts kann die gleiche Leistung mit immer weniger Arbeitskräften erbracht werden. Außerdem trägt wirtschaftliches Wachstum dazu bei, Verteilungskonflikte zu entschärfen. Lohnquote und Gewinnquote bleiben über den Konjunkturzyklus nicht völlig konstant. Bei Mehrproduktion können die Löhne absolut gesehen auch dann steigen, wenn die Lohnquote gerade rückläufig ist. Außerdem liegt global betrachtet in der Bevölkerungszunahme ein weiterer Grund, Wirtschaftswachstum anzustreben. Das reale Bruttoinlandsprodukt nimmt also von Jahr zu Jahr zu. Die Zuwachsraten sollten im Laufe des Konjunkturzyklus möglichst wenig schwanken. Eine genaue Definition über die Angemessenheit der Wachstumsrate ist schwierig. Viele Ökonomen halten ein Wachstum von mindestens drei Prozent für angemessen. Andere setzen die Grenze etwas niedriger an.

Preisniveaustabilität

Preisniveaustabilität ist gegeben, wenn die Preise im Durchschnitt konstant bleiben. Dabei dürfen einzelne Preise ansteigen. Denn der Preis bildet sich durch das Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage auf einem Markt. Steigt der Preis für ein Gut, signalisiert dies den Anbietern Gewinnpotentiale. Arbeit und Kapital werden im Sinne der Gesamtwohlfahrt auf die Produktion dieser Güter gelenkt. Eine durchschnittliche Preissteigerungsrate von bis zu zwei Prozent gilt als unproblematisch. Wird diese Toleranzgrenze überschritten, herrscht Inflation.

Folgen von Inflation

Inflation führt zum Kaufkraftverlust der privaten Haushalte. Konsumenten können von ihrem Einkommen weniger Güter kaufen. Außerdem wird deren Sparvermögen entwertet. Viele Verbraucher fliehen in Sachwerte (Gold oder Immobilien). Kommt es in Folge der Inflation zu höheren Lohnabschlüssen, erleben Arbeitnehmer eine böse Überraschung: Sie geraten in höhere Steuertarife, so dass der Anstieg des Nettolohns die Geldentwertung nicht mehr ausgleicht. Im Unternehmenssektor kommt es zur Scheingewinnbesteuerung: Während die Erlöse aufgrund der Inflation steigen, sind manche Kosten konstant: Maschinen können nur gemäß der historischen Anschaffungswerte abgeschrieben werden. Dadurch werden Gewinne besteuert, die rein formal bestehen. Auch die Kapitalflucht durch Investoren ist eine typische Folge von Inflation.

Hoher Beschäftigungsstand

Das magische Viereck fordert mit dieser Zielformulierung nicht Vollbeschäftigung. Diese wäre erst bei einer Arbeitslosenquote von zwei bis drei Prozent erreicht. In Deutschland wurde das Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes über viele Jahre nicht erreicht. Im Zeitraum von 2003 bis 2006 lag die Arbeitslosenquote sogar im zweistelligen Bereich.

Außenwirtschaftliches Gleichgewicht

Das vierte Ziel aus dem magischen Viereck ist für weite Teile der Bevölkerung eher abstrakt, aber gleichwohl bedeutend für den langfristigen Wohlstand. Außenwirtschaftliches Gleichgewichts ist gegeben, wenn der Wert der Exporte ungefähr dem Wert der Importe entspricht. Exportiert eine Volkswirtschaft weniger, als sie importiert, entsteht ein Leistungsbilanzdefizit. In diesem Fall ist es erforderlich, Kapital zu importieren, um die Güter aus dem Ausland bezahlen zu können. Wenn das Defizit über einen längeren Zeitraum besteht, werden die Devisen (= ausländische Währungsreserven) knapp. In Extremfällen droht die Zahlungsunfähigkeit. Dann fehlen dem Land die Möglichkeiten, Güter zu importieren, die als Vorprodukte für die Wirtschaft oder für die Versorgung der Bevölkerung (z. B. Medikamente) benötigt werden.

Zielkonflikte im magischen Viereck

Betrachtet man jeweils zwei Ziele, wird erkennbar, welche Zielkonflikte das magische Viereck in sich trägt: Maßnahmen, die das Erreichen des einen Ziels fördern, wirken sich ungünstig auf das Erreichen des anderen Ziels aus. Magie wäre erforderlich, um diese Ziele gleichzeitig zu erreichen.

Zielkonflikt zwischen Wirtschaftswachstum und Preisniveau-Stabilität

Bei hohen Wachstumsraten der Wirtschaft steigt in der Regel die Inflationsrate an. In diesen Phasen ist die gesamtwirtschaftliche Nachfrage hoch. Die Auslastung der Wirtschaft nähert sich der Kapazitätsgrenze. Die starke Konkurrenz zwischen den Unternehmen um die verfügbaren Produktionsfaktoren auf vielen Märkten führt zu einem steigenden Preisniveau. Im letzten Jahr einer Boom-Phase ist in Deutschland die Inflationsrate auch in den vergangenen 20 Jahren oft über die Toleranzgrenze hinaus angestiegen.

Zielkonflikt zwischen Preisniveau-Stabilität und hohem Beschäftigungsstand

Ende der Fünfziger Jahre untersuchte der britische Ökonom Phillips den Zusammenhang zwischen der Inflationsrate und der Arbeitslosenquote. Diese Analyse mündete in der Phillips-Kurve, die eine negative Korrelation zwischen diesen beiden Größen belegte: Je höher die Inflationsrate desto geringer die Arbeitslosenquote.

Zielkonflikt zwischen Wirtschaftswachstum und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht

Ein weiterer Konflikt im magischen Viereck betrifft den Außenhandel und seinen Beitrag zur Gesamtleistung der Wirtschaft. Ein hoher Leistungsbilanzüberschuss, wie er in Deutschland seit der Jahrtausendwende regelmäßig erzielt wird, entfaltet positive Effekte für das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung im Inland. Denn für die Produktion der Güter, die das Ausland kauft, benötigt die Wirtschaft Arbeitskräfte. Daher wird der Titel “Exportweltmeister” meist als Auszeichnung verstanden. Wenn ein Land aber dauerhaft hohe Exportüberschüsse erzielt, sind damit für die Importländer die Risiken eines Leistungsbilanzdefizits verbunden.

Das magische Viereck erfordert Abwägung von Risiken

Aufgrund dieser Zielkonflikte soll im Rahmen der Wirtschaftspolitik vermieden werden, dass ein Ziel zu Lasten anderer Ziele übererfüllt wird. Ein Wirtschaftswachstum von fünf Prozent anzustreben, wäre nicht verantwortlich, da die Inflationsgefahr erheblich wäre. Dennoch können die Ziele in eine Präferenzordnung gebracht werden. So soll der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt erklärt haben, dass fünf Prozent Inflation verträglicher seien als fünf Prozent Arbeitslosigkeit.

Europäische Zentralbank

Für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ist die Präferenz bezüglich der Ziele aus dem magischen Viereck klar geregelt. Die EZB ist dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet und darf nur dann die Investitionen der Unternehmen durch eine lockere Geldpolitik unterstützen, wenn dies die Stabilität des Preisniveaus nicht gefährdet.

Hyperinflation im Jahr 1923

Die besondere Sensibilität bezüglich stabiler Preise in Deutschland wird häufig mit der Hyperinflation der 1920er Jahre in Verbindung gebracht. Damals druckte der Staat Geld, um Reparationszahlungen leisten zu können. Im November 1923 kostete ein Brot rund 5 Milliarden Mark. Für eine Straßenbahnfahrt musste man bis zu 50 Milliarden Mark bezahlen. Knapp 30.000 Menschen waren in der Geldschein-Produktion beschäftigt.

Unabhängigkeit der Zentralbank

Aus dieser Hyperinflation wurde die Lehre gezogen, dass eine Zentralbank institutionell und personell unabhängig sein muss. Die Fishersche Verkehrsgleichung verdeutlicht, wie sich eine Ausweitung der Geldmenge auswirkt: Steigt die Geldmenge bei konstanter Umlaufgeschwindigkeit des Geldes stärker als die Gütermenge, entsteht Inflation.

Das magische Viereck als Grundlage für wirtschaftspolitische Entscheidungen

Für die Steuerung der staatlichen Ausgaben und Einnahmen sind dagegen Regierung und Parlament verantwortlich. Solange Politiker keine magische Fähigkeiten haben, müssen sie alle vier Ziele aus dem magischen Viereck berücksichtigen, wenn sie wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen.

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