Studienabbruch: Ist Informatik tatsächlich zu schwer?

Junger Informatik-Student sitzt in Labor am Laptop; im Hintergrund Basteleien
Foto: Stock-Asso – 364435274 / Shutterstock.com

Nur wenige Studienfächer bieten derartig viele Perspektiven wie die Informatik. Doch hier liegt auch das Problem: Viele Studenten gehen mit gänzlich falschen Vorstellungen in ihr Informatik-Studium. Denn an der Fachhochschule und an den Universitäten wird mehr verlangt als Programmieren und Bastelei am PC. Vor allem die Mathematik macht Studenten zu schaffen. Am Ende kann sich der Aufwand aber lohnen.

Technische und naturwissenschaftliche Studiengänge sind in der heutigen Zeit sehr beliebt. Geisteswissenschaften hingegen stehen hintenan. Logisch, die Digitalisierung schreitet voran und das Land braucht gut ausgebildete Fachkräfte, vor allem im IT-Bereich. Die Jobperspektiven sind hervorragend. Wohl auch deswegen entscheiden sich mehr und mehr Studenten für ein Studium der Informatik.

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Doch am Ende müssen viele Studenten herausfinden, dass der Weg zum Studienabschluss doch nicht so leicht ist, wie sie vorab glaubten. Dies belegen die Abbruchszahlen der letzten Jahre, die im Vergleich zu anderen Studiengängen erschreckend hoch ausfallen. Mittlerweile liegt die jährliche Abbruchsquote gar bei fast 50 Prozent, das sind fast 20 Prozent mehr als noch 2006.

Fach Absolventen 1999 Absolventen 2002 Absolventen 2004 Absolventen 2006
Mathematik 37 38 39 32
Informatik 12 26 23 31

Tabelle: Abbruchszahlen der Studiengänge Mathematik und Informatik in Prozent; Quelle: HIS-Projektbericht 2008

Nichtsdestotrotz ist die Begeisterung für den Studiengang Informatik ungebrochen hoch. Jahr für Jahr werden neue Rekorde aufgestellt, was die Einschreibungen an den deutschen Hochschulen anbelangt. 2015 gab es die bislang höchsten Einschreibungszahlen. Weit mehr als 50.000 Studenten wollten an deutschen Universitäten und Fachhochschulen Informatik studieren.

„Das ist ein historischer Rekord“, meinte Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e. V., wobei diese Zahlen auch auf die Doppeljahrgänge in Niedersachsen und Bayern sowie die Aussetzung der Wehrpflicht zurückzuführen waren. Und trotzdem: Informatik ist gefragt wie nie zuvor.

Informatiker in Deutschland verzweifelt gesucht

Die Abbruchquoten belegen aber auch, dass viele Studenten mit einer gänzlich falschen Vorstellung ins Studium gehen. Und weil so viele Studenten ihr Informatik-Studium vorzeitig beenden, mangelt es der deutschen Wirtschaft an fähigen Fachkräften, die allerdings dringend benötigt werden.

43.000 offene Stellen meldete die deutsche Wirtschaft 2016. Und es werden sukzessive mehr. Big Data, Industrie 4.0 oder das Internet der Dinge sind nur einige Stichwörter, die exemplarisch sind für den Wandel, den unsere Gesellschaft derzeit durchlebt. Viele der unter diesen Schlagworten subsumierten Themen finden Anwendung in der modernen Informatik, die, entgegen der Meinung vieler Studenten, sehr viel mit unserer Realität und dem Alltag zu tun hat, und sei es nur zu errechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, 6 aus 49 richtig zu tippen.

Doch dies ist Grundlagenmathematik aus dem Bereich Stochastik. Die Praxis ist komplexer, die Theorie noch weit mehr. Dabei ist es die große Herausforderung für die Professoren, das Curriculum permanent den neuen Gegebenheiten anzupassen. Das ist gar nicht so einfach. Deswegen versuchen Professoren vor allen Dingen, die Grundlagen zu vermitteln, sodass es den Studenten und späteren Fachkräften leichter fällt, sich neues Wissen anzueignen.

Infografik: Informatik studieren?

Informatik studieren? Eine Infografik
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Doch das Studium hat sich in den letzten Jahren auch auf anderer Ebene gewandelt. Während der Informatiker vor einigen Jahren noch als Universalgelehrter galt, muss er sich heute bereits während der Studienzeit möglichst schnell spezialisieren. „Aus den Unternehmen hören wir oftmals Forderungen nach mehr Praxisorientierung und nach früher Spezialisierung im Informatik-Studium“, kommentiert ein Sprecher des Digitalverbands Bitkom die aktuelle Hochschulsituation. Doch die Entwicklung der Lehrpläne kann mit dem Tempo der Wirtschaft kaum mithalten.

Entwicklung Künstlicher Intelligenz wird Kernthema

Dies liegt auch daran, dass nach und nach weitere Themenfelder in die Informatik vordringen, so beispielsweise der Bereich Ethik. Studenten der Informatik an Hochschulen lernen mittlerweile zum Beispiel auch, welche Folgen es haben kann, in die Privatsphäre von Nutzern einzudringen. Aufgrund der Sensibilisierung der Justiz für Datenschutzbestimmungen ist auch dies ein wichtiges Thema.

Treibende Fachrichtung für die Informatik ist aber die Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI). Während das maschinelle Denken und Selbstlernen vor einigen Jahren noch als futuristische Utopie abgeschrieben werden konnte, hat die KI mittlerweile das gesamte Informatik-Studium revolutioniert.

„Computer werden nicht mehr klassisch programmiert, sondern trainiert. Die Studierenden müssen also lernen, wie sie die Qualität von Trainingsdaten beurteilen oder den Computer beim Lernen konsequent überwachen – und begreifen, dass es vielleicht nicht mehr eine optimale Lösung für ein Problem gibt.“
– Damian Borth, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz

Data Science nennen Experten das neue Fachgebiet der Informatik, das von ihren Studenten vor allem verlangt, Daten richtig auswerten zu können, Systeme zu entwickeln, die es ermöglichen, dass Maschinen schneller eigenständig lernen: der Industrieroboter 2.0.

Studenten müssen dazu imstande sein, Algorithmen zu interpretieren, gegebenenfalls zu optimieren. Die Mathematik ist also noch immer ein wichtiger Teil der Informatik. Die praktische Tätigkeit des Informatikers wandelt sich aber. Zwar können IT-Fachkräfte noch immer einen Platz in den vielen Standardberufen ergattern, reizvoller scheint vielen aber ein Job in der Industrie, wo es darum geht, die Techniken von morgen zu entwickeln: intelligente Fahrsysteme, selbstwartende Maschinen etc.

Eine gut bezahlte Karriere fast garantiert

Aufgrund der hohen Vakanz und den wenigen gut ausgebildeten Fachkräften ist in Deutschland förmlich ein Kampf um fähige Informatiker entbrannt. Dies kommt dem Einzelnen natürlich zugute, vor allem in finanzieller Sicht.

Zwar ist es auch abhängig vom Tätigkeitsgebiet, dem Arbeitgeber und der Verantwortung, den ein Informatiker im Unternehmen trägt, bereits das Einstiegsgehalt kann sich in vielen potentiellen Berufen für Informatiker aber durchaus sehen lassen:

Unternehmensgröße (Mitarbeiter) Durchschnittliches Jahresgehalt in Euro
1-500 55.338
501-1.000 57.180
Über 1.000 59.079
Branche Durchschnittliches Jahresgehalt in Euro
Konsumgüter 68.296
Banken 67.914
Maschinen- und Anlagenbau 66.491
Luft- und Raumfahrt 66.466
Finanzdienstleister 65.398
Elektrotechnik, Feinmechanik, Optik 65.264
Automotive 65.162
Pharmaindustrie 64.706
Telekommunikation 64.167
Chemie 63.019

Tabelle: Jahresgehälter und Branchen für Informatiker; Quelle: Stepstone Gehaltsreport 2015

Jedes Jahr herrscht in Deutschland ein Gesamtbedarf von Informatikern in Höhe von circa 115.000 Fachkräften, schätzt das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. In Hessen verdienen Informatiker derzeit am meisten. 61.738 Euro erhalten Fachkräfte im Schnitt, gefolgt von Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen.

Wer sich übrigens dafür entscheidet, zu promovieren, kann nochmals mit acht Prozent mehr Gehalt rechnen. Dann steigt das Durchschnittseinkommen auf lukrative 70.456 Euro im Jahr. Das kann sich sehen lassen, wenn man bedenkt, dass das Durchschnittsgehalt in Deutschland gewerbeübergreifend bei knapp über 44.400 Euro im Jahr liegt.

Und weil Digitalisierung und Technik erst am Anfang ihrer vollständigen Möglichkeiten stehen, dürfte die Gehaltskurve eher nach oben zeigen. Ein Informatik-Studium bis zum Ende zu absolvieren, kann sich buchstäblich also durchaus auszahlen.

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